Harninkontinenz des Mannes

Ein permanenter, wasserdichter Verschluss der Harnröhre bei Mann und Frau wird durch ein koordiniertes Zusammenwirken mehrerer anatomischer und funktioneller Einheiten realisiert. Während bei der Frau die korrekte Lage und Fixation des urogenitalen Verschlussapparates massgeblich für den Kontinenzerhalt sind, entscheidet beim Mann eher die funktionelle Integrität des Sphinktermechanismus über die Kontinenz. Dennoch sind bei Mann und Frau immer anatomische und funktionelle Aspekte im Zusammenspiel zu beachten. Die Auswirkungen gelockerter oder fehlender Gewebsstrukturen auf die Funktion des urogenitalen Systems der Frau sind in der Integraltheorie von Petros und Ulmsten umfassend beschrieben. Der gezielte Ersatz beschädigter Haltestrukturen bestätigt durch eine Wiederherstellung der Funktion eindrucksvoll diese Theorie. Ein anatomische und funktionelle Aspekte verbindendes System zur Erklärung der Funktion und Fehlfunktion des Kontinenzmechanismus des Mannes fehlt. 

Die häufigste Ursache der männlichen Harninkontinenz ist ein vorausgegangener operativer Eingriff an der Prostata und hier insbesondere die radikale Prostatektomie. Trotz optimierter, neuro-protektiver Operationstechniken werden in der Literatur Inkontinenzraten von 2 bis 43% nach radikaler Prostatektomie beschrieben. Im Laufe der ersten postoperativen Monate kommt es meist spontan zu einer Verbesserung dieser Situation weswegen die Inkontinenzraten nach einem Jahr bei 3-23% liegen. Eine therapiebedürftige Inkontinenz persistiert allerdings bei 1-15% der Patienten. Ursächlich hierfür sind Defizite in der Funktion des externen urethralen Sphinkters und des Beckenbodens sowie Detrusorhyperaktivität, verminderte Blasenkapazität (low compliance), neurovaskuläre Läsionen und eine Kombination dieser Faktoren.

Ohne vorhergehende Operation am unteren Harntrakt, an der Prostata oder im Becken tritt Harninkontinenz bei Männern am häufigsten als Dranginkontinenz oder bei chronischer Retention (alte Terminologie: Überlaufinkontinenz) auf. Männer mit neurologischer Erkrankung können eine (neurogene) Dranginkontinenz (alte Terminologie: Reflexinkontinenz), (neurogene) Belastungs-inkontinenz oder eine Überlaufinkontinenz entwickeln. Hingegen tritt bei Männern mit vorher-gehender Operation am unteren Harntrakt oder an der Prostata am häufigsten eine Belastungs-inkontinenz auf, wovon insbesondere Männer nach radikaler Prostatektomie betroffen sind. Prinzipiell können alle Inkontinenzarten alleine oder kombiniert und vorübergehend oder dauerhaft auftreten. Die diagnostische Abklärung der (männlichen) Harninkontinenz soll die Inkontinenz-ursache und den -schwergrad evaluieren sowie Hinweise auf etwaige Therapieformen geben.